„Ach du Scheiße“, sagt Paula. Jetzt starre ich Paula an.
Vermutlich glotze wie ein Huhn, wenn es donnert. „Ach du Scheiße, jetzt
habe ich den Großen vergessen zu fragen, ob er noch Restgeld von gestern übrig
hat“. Bei dem Huhn donnert es erneut. Ich lasse mich nach hinten an die Lehne fallen,
werfe Paula einen Blick zu. Ein ratloses „Hä?“ hämmert mir an die Pia mater;
aus meinem Mund kommt – unbewusst: „Wieso musst du ihn das f…“ Für einen
Moment hört das Herumgeschwirre auf. Zumindest in meinem Kopf. Dann sagt Paula:
„Kannst du ihn bitte fragen, ob er noch Geld übrig hat und wie viel. Kannst du
dann bitte auf 14 Euro aufstocken. Die braucht er für den Ausflug am Donnerstag.“
Ich knurre ein verständnisvolles „Ja klar“, sofern sich ein Knurren eignet, Verständnis
zu vermitteln.
Ich sehe zur Uhr. 6:20 Uhr. Um die Zeit klingelt
normalerweise der Wecker für mich. Ich schaffe es, nach der Tasse Kaffee zu
greifen und einen Schluck daraus zu nehmen. Paula rauscht ins Bad, Zähne
putzen. Auf dem Weg zurück nach unten weckt sie den Großen. Sein alltägliches
missmutiges Knurren bringt den Tag zurück zur Normalität.
Ich denke an Katja,
eine Bekannte, die selbst von Depression betroffen ist. Sie hat mir neulich
bestätigt: „Sie muss loslassen. Paula muss lernen, dass sie nicht alles machen
bzw. schaffen muss. Auch wenn sie glaubt, dass ihre Reputation dadurch sinken
würde. Das ist doch alles zu viel.“
Als der Kaffee anfängt zu wirken, dämmert mir, dass ich
heute für das Abendessen zuständig bin. Selbstverständlich weil Paula
Frühdienst hat. Und weil wir diese Aufteilung der Pflichten im Haushalt jetzt
endlich konsequent umsetzen müssen: Für Oktober hat Paula die Zusage für die
75-%-Stelle bekommen. Das sind ungefähr fünf Dienste im Monat mehr als
bisher. Heute also das Abendessen. Ich reiße mich nicht darum, aber so ist das
nun mal mit den Pflichten. Fertig.
Die Kinder sind zur Schule unterwegs; ich nehme ich ein
kühles Duschbad, ziehe mich an und radle zum Supermarkt um die Ecke. Wie
besprochen wird es heute Abend Vesper geben. Ich packe in die Baumwolltasche,
worauf ich Lust habe. Alten Gouda, ein Stück Blauschimmelkäse, Wienerle für die
Kinder, Salat, Tomaten – ach ja, ein Glas Saure Gurken. An der Wursttheke lasse
ich mir noch ein Stück Schwarzwälder Speck geben. Zuhause packe ich das Zeug in
den Kühlschrank, räume schnell die Küche auf, bevor ich ins Büro aufbreche. Der
Tag verläuft – genau! – normal. Business as usual. Gegen 18:30 Uhr schwinge ich
mich aufs Rad und fahre nach Hause. Auf dem Weg überlege ich mir, dass ich
eigentlich ein paar feiste Rühreier machen könnte – mit dem Speck und ein paar
Kräutern. Das mögen vor allem die Jungs. Okay also. Gebongt.
Als ich nach Hause komme, steht Paula in der Küche,
schnippelt gerade die Tomaten. Die Salatblätter schwimmen schon im Wasser. Ich
rausche an die Arbeitsplatte und zische: „Ich mach‘ das.“ Paula sieht mich an
und fragt: „Wieso bist du denn schon wieder so sauer?“
Eine Antwort darauf bekommt sie nicht.