Samstag, 2. März 2013

Nachtgedanken

Schickes Hotel. Sehr neu, sehr stylisch. Die Klimaanlage verbreitet, vielleicht einen Tick zu intensiv, eine Brise artifiziellen Karibikduft. Das ist nicht unangenehm. Das Vier-Sterne-Bett ist bequem. Mithilfe der Kissen von der zweiten Betthälfte kann ich meine Liegeposition so einrichten wie zuhause. Trotzdem liege ich wach. In Hotels schlafe ich nie besonders gut. Fremde Geräusche. Ein Güterzug rattert in der Nähe vorbei. Morgen die Wettbewerbspräsentation. Fast 200 PowerPoint-Folien. Wenn wir den Kunden gewinnen, wären wir die Sorgen für mindestens das erste Halbjahr los. Der Chef im Zimmer nebenan – Nr. 303. Sicher sitzt er noch oder schon wieder am Laptop. Ändert die Präsentation. Vielleicht schläft er auch. Wir sind erst um 23 Uhr aus dem Hotelrestaurant raus. Eine Stunde hinter Zeitplan. Und eine Flasche Spätburgunder über Vorgabe. Das Handy-Display zeigt 4:06 Uhr. Scheiße, erst viereinhalb Stunden geschlafen. Oder nur. Falls ich es nicht schaffe, wieder einzupennen. Meine Augenlider fühlen sich dick, die Lippen trocken an. Die Abfallprodukte des Spätburgunders drücken in der Blase. Ich tapere ins Bad. Ohne das Licht anzuknipsen. Sonst fängt diese verfluchte Abzugsanlage an zu schwirren. Zehn Minuten lang, nachdem das Licht abgeschaltet wurde.

Die Kollegin aus der Wissenschaftsabteilung, die uns begleitet, hat Zimmer Nr. 316. Sie geht mit mir nach draußen, um gemeinsam (je) eine Zigarette zu rauchen, nachdem die anderen schon weg sind. Auf dem Weg zurück stiefelt sie einfach an ihrem Zimmer vorbei, weiter neben mir her. Ich frage: „Hast du nicht 316?“ Sie lispelt ebenso angesäuselt wie schamhaft etwas wie: „Achso ja, ja … hihihi.“ Wir sagen „Gute Nacht. Und: bis Morgen.“ Es ist nicht das erste Mal, dass ich das Gefühl habe, sie hätte es lieber, ich fragte „Zu dir oder zu mir?“

Auf dem Bildschirm meiner dicken Augenlider läuft ein Kopfkinofilm mit Paula. Der Spätburgunder hat mich wuschig gemacht. (Ja sicher, der Spätburgunder! Was sonst?) Bis auf heute lag ich selbstverständlich jede Nacht dieser Woche tatsächlich neben Paula. Jede Nacht war ich zu müde, um wuschig zu sein oder um ins Kopfkino zu gehen. (Fast 200 PowerPoint-Folien wollen schließlich vorbereitet sein.) Jetzt bin ich im Kopfkino. Morgen Abend bin ich wieder zuhause. Die Präsentation ist dann vorbei, die Anspannung weg. Aber Paula ist auf dem Kongress. Bis Übermorgenabend. Dann ist sie ausgelaugt. Sie hat mir eine SMS geschrieben: „Ich bin jetzt schon ganz überladen.“ Das war vier Stunden nach dem Beginn des Kongresses.

Das Handydisplay zeigt 5:13 Uhr. Das Handmännchen kommt vorbei. Danach kann ich zwei Stunden pennen.

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