Margareth treffe ich nach einigen Jahren wieder. Leider bei
der Trauerfeier für ihre verstorbene Mutter. Hier kommen viele Menschen zusammen, die von den alten
Zeiten erzählen. Wie so oft kommt das Gespräch auf Paula und mich. Schließlich
sind wir das einzige Ehepaar der Jahrgangsstufe. Die Konflikte „C“ gegen „B“ sind
längst Geschichte. Margareth erinnert sich an den Mädchenchor. Paulas Stimme
habe sie „immer als unangenehm schrill empfunden.“ Ich bin von der Trauerstimmung
und dem Weißwein schon ziemlich neben der Spur. Ich drücke den unpassenden Spruch
raus, dass Paulas Stimme in gewissen Situationen tatsächlich schrill klinge. „Das“,
füge ich hinzu, „das ist dann aber überhaupt nicht unangenehm.“ Den
vielsagenden Blick, den ich dabei aufsetze, würde Jack Nicholson zur Ehre
gereichen. Trotz des Anlasses habe ich die Lacher auf meiner Seite und kann
verschleiern, dass die Wahrheit doch ganz anders ist. Mittlerweile.
Paulas Stimme war in gewissen Situationen tatsächlich schrill.
Einmal pochte der Nachbar mit dem klischeehaften Besenstiel von unten an die
Decke. Es war zwei Uhr nachts. Das ist nie mehr passiert. Die späteren
Wohnungen hatten dickere Wände, die Häuser waren freistehend, wir wurden einfach
älter, Paula – bekanntermaßen – krank.
Eben sucht unser älteres Kind seine Sporthandschuhe, die
Paula waschen wollte, es aber nicht geschafft hat, weil es ihr schlicht mies
geht. „Mama, wo sind meine Handschuhe?“ Die Frage erwischt Paula auf dem
falschen Fuß.
Ich bin ich der Küche, ca. zwölf Meter Luftlinie von Paula
entfernt, eine Etage tiefer. Ich verstehe nicht wörtlich, was sie faucht, aber
es tut mir in den Ohren weh. Dem Kind offenbar auch. Panisch, wirklich panisch
stammelt es: „Schon gut, Mama, schon gut. Schon gut. Ich habe ja nur gefragt.
Bitte Mama, Mama schrei‘ nicht so. Alles gut, ich nehm‘ die alten Handschuhe."
Morgen habe ich einen halben Tag Urlaub. Ich werde wohl mit
den Kindern sprechen. Über Margareth. Und selbstverständlich über Paula.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen