Zum Geburtstag bekommt jeder Mitarbeiter der Firma eine Glückwunschkarte. Das ist natürlich nichts Besonderes. Das ist (hoffentlich) überall das Gleiche. Bei uns aber ist es immer die gleiche Karte. Im Innenteil können die Kollegen ein paar nette Worte an den Jubilar richten. Viele unterschreiben nur, andere schaffen noch ein „Alles Gute!“. Ach, naja, finde ich, ein bisschen respektvoller könnte es schon sein. Ich durchstöbere deshalb stets die einschlägigen virtuellen Zitatbörsen – auf der Suche nach etwas Passendem. Dabei stoße ich doch eben auf diesen markanten Spruch:
„Wer großen Wert auf Pünktlichkeit legt, muss Sinn für das Alleinsein haben.“
Ja, ich werd‘ nicht mehr! Das ist es: Mir fehlt einfach der
Sinn fürs Alleinsein! Wie schön, dass ich nun endlich weiß, wie es um mich
bestellt ist. Das hätte mir dieser dusselige Therapeut (den ich gar nicht dusselig finde) bei der Paarberatung aber
auch schon mal früher sagen können. Mann, oh, Mann.
Aber nein, stattdessen lässt er Paula und mich bei jeder
Gelegenheit wieder und wieder und wieder über dieses Thema streiten. Über das Thema
Pünktlichkeit.
Ja, ich lege großen Wert darauf. Schon immer. Schon als
Jugendlicher war ich ‚pissed‘ (=neuhochdeutsch für ‚stinksauer‘), wenn meine
Kumpels später kamen als vereinbart. (Unentschuldigtes) Späterkommen kann ich nur
schwer aushalten. Es löst regelrecht körperliches Unwohlsein bei mir aus. Bis
hin zu Magenkrämpfen. Und damit zu schlechter Laune, die das anstehende Treffen
mitnichten beflügelt. Jeder, der mich kennt, weiß das. Oder jede. Natürlich
auch Paula. Sie weiß es am besten. Mit niemandem hatte ich je mehr
Verabredungen als mit ihr.
Es kommt mir irgendwie vor, wie die Glückwünsche auf den Geburtstagskarten:
Ein bisschen respektvoller könnte es schon sein.
Epilog: Wenn es mal wieder später wird, gönne ich mir heute meist
ein Schnäpschen. Das hilft gegen die Magenkrämpfe. Und gegen die
schlechte Laune. (Außerdem schmeckt es mir!) Damit, dass ich mit dem Alter (außerdem) toleranter werde, hatte der Paartherapeut Recht. Das aber – mir sitzt der Schalk im Nacken –
sage ich ihm nicht.
... ich kann Dir ganz eindeutig folgen... Vielleicht ein guter Zeitpunkt das "ein bisschen" wegzulassen und/oder das Alleinsein auch wirklich zu geniessen???
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